Diese Folge von 24 Bildern (die Abbildung oben zeigt nur eine Gruppe von vier Bildern) ist in Norddeutschland nahezu einmalig, weil sie zu den wenigen erhaltenen monumentalen Totentänzen gehört. Sie wurden im Jahre 1700 vom Wolgaster Kapitän und Reeder Caspar Siegmund Köppe gemalt. Die Bilder wurden zuerst in der Gertrudenkapelle an den Brüstungen der Emporen aufgehängt, 1868 kamen sie nach der Renovierung von St. Gertrud nach St. Jürgen, ca. 1900 gelangten sie in die Petrikirche. Hier konnten sie alle gerettet werden, als die Kirche 1920 ausbrannte, aber ein Bild tauchte nicht wieder auf, es wurde "in falsche Hände gerettet". Der Wolgaster Totentanz lehnt sich an die Vorlagen von Hans Holbein d. Jüngeren an. 1538 erschienen seine "Bilder des Todes" in Lyon, bis 1562 folgten weitere elf (!) Auflagen.
Die Geschichte des Totentanzes
Im Volksglauben des Mittelalters galten die Toten keineswegs als tot, sie konnten mit den Lebenden kommunizieren; von Wiedergängern und "lebenden Toten" wurde erzählt. Die Kirche hat diesen Glauben zwar abgelehnt, hat ihn dann aber integriert: Wer den Toten begegnet, soll an seinen eigenen Tod denken und entsprechend leben; auf dem Friedhof waren die unbußfertigen Toten zum Tanz gezwungen. Totentänze gab es an Friedhofsmauern, Beinhäusern, in Kirchen oder anderen öffentlichen und halböffentlichen Gebäuden: Rathäuser, Stadttürme, Brücke (Luzern), Bischofspaläste, Pfarr- und Waisenhäuser. Im 20.Jahrhundert wurde ein Totentanz am Postamt in Bad Wiessee in Oberbayern angebracht, für das Mittelalter sachgemäß, für die Gegenwart sehr verblüffend. Schließlich gab es für kurze Zeit den Kölner Totentanz des Sprayers Harald Naegeli, der mit der Sprühdose Gerippe an ganz anderen Orten anbrachte: In Tiefgaragen, an Straßenkreuzungen, auf einer zugemauerten Kirchentür. Bis auf ein Bild wurden alle Darstellungen von der Stadtreinigung entfernt, so teilte dieser Totentanz das Schicksal vieler mittelalterlicher Totentänze, die inzwischen verschwunden sind.
Der Hintergrund der Totentänze
Thesen von Reiner Sörries in: Tanz der Toten - Todestanz. Der monumentale Totentanz im deutschsprachigen Raum. Hrsg. vom Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur. Dettelbach: Röll, 1998; S.43ff:
1.These: Der Totentanz bildet ab, was auf dem Friedhof geschieht.
2.These: Von Anfang an waren Totentänze Sehenswürdigkeiten, sie dienten auch kaufmännischen Interessen. Der Wettstreit um den schönsten Totentanz in den Hansestädten wirkte ansteckend.
3.These: Der Totentanz ist nicht nur ein spätmittelalterlich-religiöses, sondern ein neuzeitlich- säkulares Thema, dessen Attraktivität in seinem ambivalenten Charakter zwischen Todesangst und Lebenslust besteht.
Weitergehende Informationen zu dem Thema finden Sie auch auf den Seiten der Europäischen Totentanzvereinigung oder unter Wikipedia.
Der Wolgaster Zyklus ist auch mit einigen Abbildungen beschrieben auf den Seiten der Insel Usedom.
Sanierung der Totentanz-Bilder
Den unübersehbaren Schäden an den Bildern (Farbabplatzungen, Holzschädlinge, Feuchtigkeitsschäden) musste durch eine fachgerechte Sanierung Einhalt geboten werden. Deshalb wurde 2008 eine Spendenaktion initiiert, die durch die Stiftung KiBa unterstützt wurde (Einzelheiten dazu erhalten Sie gern im Kirchenbüro oder bei der Stiftung KiBa). Die Sanierung begann im Jahr 2010 und hat 2014 ihren Abschluss damit gefunden, dass auch für einige Bilder, die bisher direkt an den Wänden hingen, entsprechende Halterungen plaziert wurden.